Obwohl man das Gefühl hat, dass nach den wilden Jahren (oder mit Kinowörtern: die fette Jahre sind vorbei) kommt die Ruhe durch die Ehe (nun ja, man sei Hete oder nich — ??), gibt es ein Paar ganz interessante Punkte.
#1:
Mittlerweile lebt Walkenhorst mit Familie in einem kleinen Örtchen bei Göttingen. Skinheadsein bedeutet für ihn heute "neben dem Style, der immer noch eine große Rolle spielt, vor allem ein Klassenbewusstsein". Das allerdings ist hierzulande - im Gegensatz zu Großbritannien, dem Ursprung der Skinheadbewegung - nicht allzu solidarisch ausgeprägt: "In Deutschland haut der kleine Arbeiter noch auf den Hartz-IV-Empfänger drauf." Für Flacke geht es vor allem um "so einen belasteten Begriff wie Stolz. Ich bin stolz darauf, wo ich herkomme. Ich bin stolz darauf, dass mein Vater Klempner ist. Ich bin stolz darauf, dass mir nichts geschenkt wurde." Dieses Bedürfnis nach Stolz ist ein verbindendes Element der Szene.Ausgrechnet diese Stolz-Frage finde ich ganz interessant: zu sehr wurde Stolz mit Nationtreue geeignet, fast nie mit Selbstbewusstsein, Selbstdarstellung, Sehnsucht. Denn für viele heisst Skinheadsein wieder eine Werte zu haben bzw. bekommen. Etwas à la: ich bin endlich jemand. Und sowas ist nie zu unterschätzen.
Und es erinnert mich gerade an das Lied von Los Fastidios, Johnny and the Queer Boot Boys, wo es dieser Satz gibt, den ich mich tätowieren lassen habe: "E ti guardio allo specchio e sei orgoglioso di tutto ciò che fai". Das hat mich nämlich und letztendlich immer fasziniert: die Tatsache dass Schwule und Skinheads dieses Stolzsein teilen, und nur nicht das, aber dass beide Gruppen es hochpreisen. Das sagt uns (in)direkt viel über die soziale Kontrolle, über die Macht der Gesellschaft um Randgruppen zu schöpfen und Existenzen zu minimisieren — was natürlich nicht bedeutet, dass diese Randgruppen unglücklich damit sind in der Marginalität zu sein; es gibt aber ein Unterschied zwischen die Marginalisierung (von der Gesellschaft) und der eigene Wille zur Marginalität.
Und von daher kommt man weiter zum Artikel und weiter zum nächsten Staz der Zitat:
#2:
Bei manchen Skinheads bezieht er sich vielleicht darauf, dass man sich mittlerweile einig ist, rechtsradikalen Tendenzen entschieden zu begegnen. Bei anderen wiederum darauf, dass auch bekennende Schwule heutzutage einigermaßen akzeptiert sind. Eine Vereinigung wie "RASH - Red and Anarchist Skinheads" ist stolz auf ihren Antifaschismus, ein Redskin auf seine Marx-Engels-Gesamtausgabe im Bücherregal, der nächste auf seine Bierdeckelsammlung. Die Szene ist nicht homogen, und Stolz bleibt ein diffuses, leicht zu manipulierendes Gefühl.Genau, da haben wir es: "Bei anderen wiederum darauf, dass auch bekennende Schwule heutzutage einigermaßen akzeptiert sind."
Frage: ist das ein Berlinphenomen? Oder ein deutsches Phenomen? Sowas habe ich z.B. in Franzenland ganz wenig erlebt. Darüber habe ich schon hier geschrieben, aber öfter ist es mir passiert dass alle "anti"s (antisexistisch, antirassistisch, antikapitalistisch) plötzlich vor dem Schlafzimmer verschwanden und gar nicht antihomofob waren, ganz im Gegenteil. Besser im Schrank bleiben als offen schwul. Deshalb auch bin ich nach Berlin umgezogen: weil man hier ruhig als schwuler Mann in der Skaszene (ist es anders in der Oiszene?) rumlaufen kann, ohne ständige Beleidigung jemals zu bekommen. Und sogar das Gegenteil: man wird hier eher unterstürzt, falls es Schikane gibt.
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