mardi 19 février 2013

Ein Yo-La-Tengo-Wetter

Es schneit in Berlin. Eine schwindende Helligkeit trotzt den grauen Himmel, es gibt kaum Menschen in der zonigen Strasse, die den sozialistischen Palast herbergt. Vor der Schule verweis(s)en die grünbraunen Wiesen, heute noch wegen der Streik schülerlos. Es ist ein Wetter, wo man vorm Fenster steht, seine P&S raucht, in der Ferne schaut ohne was zu sehen. Es ist ein Bettwetter und überhaupt ein bitte-nicht-wieder-allein-unter-der-Decke-Wetter. Es ist ein Yo-La-Tengo-Wetter.



You tell me summer's here,
And the time is wrong.
You tell me winter's here and your days…
Are getting long.
Tears are in your eyes… tonight.


Aber wenn der JB sich umdreht, sieht er die blühenden gelben Tulpen unter dem Porträt von Rosa L. Der JB erinnert sich, dass er einmal eine Kohlmeise gezähmt hatte, die er auch Rosa gennant hatte, denn Rosa L. hatte in ihren Briefen aus dem Gefängnis diesen nun berühmten Satz geschrieben:


Damals brauchte der JB nur "piep-piep" zu sagen, und sofort kam Rosa um in seiner Hand Kuchenkrümel zu essen. Rosa war eine Feinschmeckerin. Sie bevorzugte den von dem JB gebackenen Omakuchen, als Semmelbrösel, die ihr langweilig waren.

© icke

Der JB und Rosa haben sich innig gemocht. Es war Juni und nicht Februar. Es gab Sonne und nicht Schnee. Rosa war einäugig und der JB schon damals kurzsichtig, aber sie hatten sich deutlich gesehen und erkannt. Sie waren beide zwei körperverletzten Kreaturen, die gelernt hatten auf sich aufzupassen und für sich das Gute auszusuchen, von daher der Omakuchen und dessen Krümel. Rosa hatte ihren rechten Auge verloren, und der JB sagte ihr, es sei nicht schlimm, denn was rechts ist, braucht man sowieso nicht. Das wusste sie aber schon, konnte sie mitteilen. Sie war klug, so sehr einäugig sie nun auch war.

© icke

Rosa war so klug und grosszügig, dass sie eine Freundin von ihr überredet hatte mitzukommen. Das war Klara. Aber Klara war schüchtern, kam nicht immer und behielt ihren Abstand. Ja, Rosa war so klug und grosszügig, dass sie regelmässig den lieben kleinen Freunden des JB geschrieben hat. Sie hat täglich elektronische Brieftauben geschickt, wo sie erzählte, wie glücklich und zufrieden sie war:


Es war also Juni 2011 & das Skafestival in Rosslau näherte sich. Der JB sollte dahin zusammen mit seinen kleinen lieben Freunden & Rosa sollte nichts besonders, ausser Omakuchenkrümel in der Hand des JB aufzupicken, in der Sonne vom Balkon des sozialistischen Palasts. Der JB ging, Rosa blieb. Der JB kam zurück, Rosa war weg. Der JB rief "piep-piep", Rosa kam nicht. Rosa kam nicht mehr wieder. Rosa war fortgeflogen, JB war gebrochen. Rosa war verschwunden, JB war hoffnungslos.


Die kleinen lieben Freunde des JB versuchten ihn zu trösten. A hatte eine Erklärung parat: weil Rosa behindert war, bekam sie einen obligatorischen Platz im Pionierlager. Als der JB den Zug nach Rosslau nahm, nahm Rosa den Bus zum Pionierlager. Ja, selbstverständlich! Aber konnte sie eines Tages nicht zurückkommen? Anscheinend nicht. Vielleicht hat sie sich verliebt. Vielleicht ist sie weiter in Fernenland geflogen. Vielleicht hat sie sich irgendwo festgesiedelt. Jetzt steht der JB vorm Fenster, schaut den Schneefall zu, raucht seine P&S und hört weiter Yo La Tengo.



I wanted to feel that way forever
And that's why
If you're looking at me I'll try
to be what you want to see
and if I'm, if I'm, ever that lucky
You won't have to be so, you won't have to be so sad.

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