vendredi 18 décembre 2009

Die Unwahrheit, das Litotes

Der von zu Guttenberg entlassene General Schneiderhan sagte diesen kuriosen Satz in seiner Interview in Der Zeit: »Was diesen 25. nachmittags angeht, sagt er [zu Guttenberg] die Unwahrheit.«
Die Unwahrheit?
Ich wiederhole: die Unwahrheit???
Was für ein seltsames Wort. Was für ein semantisch bizarres Gebrauch in diesem Kontext. Der Linguist in mir ist erstaunt. Warum benutzt der General dieses Wort? Warum redet er nicht von Lüge?
In der Rhetorik nennt man das ein Litotes. Schneiderhahn mildert die Realität, er maskiert seine Meinung. Aber warum (oder: wahrum)?
Als Mann und überhaupt als Militär (der grüne Abgeordnete Omid Nouripour redet heute in der TAZ von einer "sehr integere[n] Persönlichkeit") möchte nicht seine rohe Meinung mitteilen, er verbietet es sich oder darf es nur bis zu einer gewissen Grenze. Er verbleibt, trotz seiner Kündigung, treu zu seinem Chef - als guter Militär, der er ist.
Aber dennoch äussert er sich. Und sogar in der Öffentlichkeit, in der Presse. Und benutzt ein Litotes. Er sagt nicht, dass der Minister lügt, sondern dass er die Unwahrheit sagt. Heisst es dann, dass zu Guttenberg nur ein Teil der Wahrheit sagt? Heisst es, dass er selbst, Schneiderhan, auch nur ein Teil der Wahrheit sagt? Rein semantisch kann es so sein. Auf deutsch, sagt der Duden, bedeutet Unwahrheit: 1) das Unwahrsein, 2) eine Halbwahrheit. Also eine Halbwahrheit. Wir müssen uns dann darauf vorbereiten, dass die komplette Wahrheit eines Tages ausbricht. Heisst es, dass der General mehrere Informationen enthüllen will/wird? Dann ist seiner Satz nur das sehbare Teil des Eisbergs (der Wahrheit). 
Letzte Möglichkeit: Schneiderhan hat gar nicht nachgedacht; er gar nicht seine Worte bewusst eingeschätzt; dieses Substantiv, Unwahrheit, ist in ihm vollkommen unbewusst aufgetaucht. Dann hat, immer wieder, der General noch viel zu erzählen, und viel das er nicht sagen mag, entweder über den Minister, oder über sich selbst. Nicht (un)wahr?

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