mercredi 29 décembre 2010

Muschebubu

Kurz vor Weihnachten wurde der JB von und bei seinem liiieben Freund D eingeladen. Seitdem so viele Norddeutschen da waren, wurde Grünkohl gegessen und als Frossi (Franzmann + Ossi = Frossi) kannte der JB dieses Gericht nüsch und mochte es ganz und gar. Aber darum geht es jetzt nicht.
Der JB sass zwischen und vor Gatten aller Art und fühlte sich als Sonderling und Singeling überhaupt nicht Fehl am Platz: er brauchte nur vorne links und neben rechts zu gucken um sich selbst darauf zu überzeugen, dass er, wie man so hübsch auf franzenländisch sagt, ein "cœur à prendre" war (und ist). Aber darum geht es auch nicht.

Darum geht es nämlich:
Muschebubu
Der JB kann sich daran nicht mehr erinnern: wie und warum und weshalb und weswegen die Gesellschaft dazu kam, aber plötzlich rollte das Wort auf den Tisch und D sagte:
Ich weiss gar nicht, woher das kommt und was es genau bedeutet, aber das Wort fand ich immer toll. Man redet nämlich von einer Muschebubu-Beleuchtung.

Wie bitte was? fragte voll lauter Neugier der JB.
Ja: Muschebubu.
Und wie schreibt man das?
Ganz einfach:
M U S C H E B U B U.
Oder wie?
Der JB hatte der Gesellschaft versprochen, er würde das Wort recherchieren und ausforschen und nachkuhgeln und nachwikipediaieren, und das hat er also gemacht. Obwohl… Wikipedia… Hm…
Ein gewisser Herr R (was letztendlich "rrrh" macht), der neben dem JB sass, hatte nun schon gewarnt, dass Wikipedia keine Lösung war. Und, wie der JB es schon damals ahnte, war dieser Herr R wie die Partei des JB: er hat immer Recht. Denn:


Könnte Muschebubu etwas mit Muscheln zu tun haben?
Tja… Gute Frage.
Aber vor der Etymologie, die Rechtschreibung.
Anscheinend kann man es so schreiben:


Musche-Bu-Bu zu schreiben bedeutet dann, als Wortbildung, dass es ein Monem ist (wie man so schön in der Sprachwissenschaft sagt), das aus zwei Lexemen (der JB wiederholt: Lexem und nicht Ekzem!!!): Musche und Bu. Bu sowie in Buh? Und Musche sowie in Muschel? Also entweder eine Muschel, die zweimal Buh schreit, wenn man sie öffnet? Oder ein Muschel, die so erschreckend ist, dass man, als man sie öffnet, zweimal Buh voll lauter Angst und Schreck und Grauen ("skrekk og gru", wie man auf norwegisch sagt) schreit?
Tja…
Eins ist aber sicher: D hat(te) Recht, wenn er über Muschebubu-Beleuchtung redet(e).
Aber ist diese Definition zuverlässig?
Vielleicht nicht. Denn, so en passant, wenn wir über Rechtschreibung reden und schreiben, heisst es dinieren mit einem N. Also zwei mit dem infinitivmarkierenden N, aber jeeedenfalls nicht mit 3!

Der JB muss einfach weiterforschen.
Also nimmt er seinen gelben Duden: nüschts.
Also nimmt er seinen blauen Kluge: nüschts.
Und, für das erste Mal seitdem er sie gekauft hat, merkt er dass seine zwei Wörterbücher der deutschen Sprache die Farben der FDP haben (auer! nur das Schreiben des Wortes FDP gibt dem JB Aphten - iiigitt!). Der JB ist also kurz davor beide Wörterbücher wegzuschmeissen, eine grosse Angst hat er vor eine Übertragung der FDPose zu seinen +/- 50 anderen Wörterbüchern (nein, der JB ist nicht hysterisch). Aber gerade das macht er nicht.
Er forscht also weiter.

Der JB geht auf der Seite der Universität Leipzig, die immer gute Tips zur Philologie hat.
Leider.
Nichts in dem Wortschatz-Portal der Universität Leipzig. Auch nichts in dem digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache. Wieder nichts auf etymologie.info. Nur weisen die Akademikern auf die Seite der deutschen Umgangssprache, die wir schon besucht haben. Also rennt der JB wieder dort hin und findet:


Also diesmal Muschebubu in einem Wort. Wenn er die Varianten nachkuhgelt, findet der JB die richtige Rechtschreibung. Muschebubu ergibt 3820 Resultate, Musche-Bu-Bu nur 28. Zwar ist es quantitativ und nicht qualitativ, aber diese Suche beantwortet die Rechtschreibungsfrage. Ein Problem ist also gelöst.
Wir zirkeln peu à peu das Wort ein.

Jetzt die Bedeutung.
Es hat mit Licht und sogar mit Beleuchtung zu tun. Es deutet auf etwas gemütliches, etwas kuscheliges an. Es hat etwas mit Intimität und sogar mit Sexualität zu tun. Aha. Interessant.
Noch dazu erfahren wir, dass das Wort sächsisch sei.
Aha. Doppeltinteressant.
Sexualität und sächsisch.
Aha.
Der JB kriegt sofort Assoziationen. Aber weg mit ihnen, darum geht es auch nicht. Oder schon?

Das Sächsische erstmal.
Denn das Wort ist nämlich sächsisch. Die Sächsische Zeitung bestätigt es beinahe schreiend und jedenfalls stolz:


Und eine gewisse Betty aus Sachsen (leider heisst sie nicht Conny) erklärt es uns auch:


Ach die gute Feddbemme! Es erinnert der JB daran, was ihm passierte als er eine Art von süsser Feddbemme ass. Hier können wir es sehen.

Noch ein Beweis? Aber gerne!
Hier, in Time is on my side: ein deutsches Heimatbuch, ein Buch von Christoph Dieckmann:


Der JB wiederholt: "(…) wie der Sachse sagt (…)"
Aaalso.
Rechtschreibung, Bedeutung und Herkunft sind nun erklärt und erledigt.
Beziehungsweise:
Ortherkunft aber nicht Wortherkunft.
Mit anderen… Worten: die genaue Etymologie wissen wir immer noch nicht ganz genau und präzis und akkurat.

Aber ein gewisser Fritz weiss ganz genau Bescheid:


Also hätte Schummer Musche geschöpft, eine Art von Anagramm, das fast ein Palindrom ist. Semantikerweise sind sie ja ganz nah. Der Kluge sagt sogar:
Schummer “Dämmerung” peripher Wortschatz, regional (18. Jahrhundert). Aus dem Niederdeutschen übernommen. Wohl mit Vokalabwandlung zu schimmern.
Das passt ja genau zu der Muschebubu-Beleuchtung.
Bubu entspräche ja der "Kindersprache". Von daher auch das Gemütliche in dem Semantismus.
Der JB hat ja nicht Germanistik studiert und von daher deutsche Linguistik auch nicht, und fragt sich deshalb, wie man überhaupt es schafft von Schummer zu Musche gehen: zwar, und wie gesagt, sind sie hörgemäss ähnlich - aber trotzdem.
Mauscheln zu Musche scheint irgendwie wahrscheinlicher. Dazu sagt der Kluge:
mauscheln “reden wie ein Jude” (nach dem Stereotyp), peripher Wortschatz und stilistisch markiert (17. Jahrhundert). Abgeleitet von Mausche, der jiddischen Form des biblischen Namens Mose, die als Übername der Handelsjuden gebraucht wurde (auch Mauschel), ebenfalls seit dem 17. Jh. bezeugt.
Hier das Geheime, das Stille dabei - und was Geheim und Still ist, ist auch oft dunkel, "schummrig" (um nun das erste Wort zu benutzen). Das alles bildet ein lexikographisches Mischmasch. Und ausgerechnet das, weil es genau was "schummriges" bezeichnet, und sogar was irgendwie und irgendwo verbotenes, also das Sexuelle. Das Tabu. Muschebubu sei ein Tabuwort, wie man in der Linguistik es nennt. Oder eher ein Worttabu??? Wenn das Wort Bubu richtig aus der Kindersprache kommt, dann ist es hypokoristisch, also verkleinend sowie verniedlichend: es muss unbedingt süss und ungefährlich sein und klingeln um die genaue Realität verbergen zu können.
Auf der Seite von einem gewissenen tantalosz kriegen wir noch einen Hinweis auf das Verbotene in Muschebubu:



Der ehemalige Sprachwissenschaftler Stephan Köhnlein hat ja gezeigt, dass Sprachtabu, oder linguistisches bzw. sprachliches Verbot, am meisten die Sexualität betrifft. Was in sich nicht zeigt, dass die Sexualität immer Tabu war (aber der Körper, gesund oder krank aber überhaupt nackt, war es - was ein Widerspruch ist, seitdem die Wörter die sich in den indogermanischen Sprachen ganz gleich von der einen Sprachfamilie zu der anderen wiederholen (lexikografisch sowie semantisch), betreffen den Körper!). Köhnlein geht weiter und, einen anderen Sprachwissenschaftlern (Radtke) zitierend, betont:
Die Ausbildung eines sexuellen Wortschatzes beweist, dass die Sexualität keinem sprachlichen Verbot unterliegt, sondern dass eine psychologische Scheu besondere Sprachmuster erforderlich macht.
Also sei es wichtig die Wörter "heimlich", "schummrig" zu machen:
Anstelle einer konsequenten sprachlichen Meidung bediene man sich einer Restriktion in der Benennung, die die direkte Benennung umgeht. Sexuelle Lexeme werden verändert oder ersetzt.
Hier haben wir unsere guten Lexeme wieder!
Was er meint:
Es ist wichtig die Realität (= Tabuwort) zu verbergen. Und gerade das macht man mit Hilfe von verniedlichenden bzw. verheimlichenden Wörter (= Worttabu). Und hier haben wir unser sexuellbezeichnendes Wort Muschebubu wieder. Muschebubu als auch eine sexuelle, von daher kulturell gefährliche Realität. Was schreibt der Fritz da oben?
Zum Sexuellen muss ich nichts sagen.
Ach so? Und wieso? Weshalb, warum? Weil es ein Tabuwort ist, eine verbotene Realität, die man aus "psychologische[r] Scheu" nicht äussern darf/will/kann.
Ergo: der JB war nicht ganz falsch, als er das Sächsische mit dem Sexuellen in dem Wort Muschebubu was assoziieren konnte/wollte.

Wenn wir weiter zu diesem "sprachlichen Mischmasch" gehen, können wir auch feststellen das Tabu, das Verbotene und gleichzeitig das Verniedlichende, das sich in dem Wort steckt. Denn einige verwenden auch: Schmusebubu:


Und obwohl es sich um ein Sprach- oder Wortfehler bzw. einen freudschen Versprecher handeln kann, ist es unheimlich (!) interessant.
Erstmal, weil wir zurück zu der ersten Definition sind: "Dämmriges Licht beim Schmusen (…)"
Und zwar ist hier die Bedeutung absolut negativ geladen, aber man findet nicht nur Worte, die völlig mit Kindersprache zu tun haben ("Bussibussi", "Schleimischleimi"), die völlig hypokoristisch sind, die aber noch dazu mit der Sexualität zu tun haben. Für diesen Mann (ja, das ist ein Mann) ist es wichtig die Sexualität, die Intimität zu verkleinern, zu verniedlichen, zu verharmlosen, denn die ist zu gross, zu gefährlich, zu verboten und sicher zu schmutzig.
Wenn man den (ironischen) Rat von dem Herr R (rrrh!) weiterfolgt und in Wikipedia schmusebubu sucht, wird schmusen vorgeschlagen, und das führt uns dahin:


Da haben wir es wieder! Die Intimität, die wir schon oben nannten.
Also: egal ob musche oder schmuse, es ist auf jeden Fall bubu, d. h.: gemütlich, intim, etwas dunkel, ein bisschen sexuell. Muschebubu-Beleuchtung schafft Intimität und damit Schmusemöglichkeit(en).


Tja, liebe kleinen guten Freunde, wir sind also mit dem Schmusebubu fertig, stellt der JB fest. Wir müssen uns für jetzt verabschieden. Und seitdem Schmusebubu ein sächsisches Wort (mit jiddischer Herkunft) und auch ein sprachliches Mischmasch ist (mauscheln und Muschel und Schummer und schmusen), hat der JB eine sächsische Musik herausgefunden, wo es fast darum geht, nämlich: schummeln. Denn wer kommt aus Sachsen und hat über schummeln gesungen? Ge-nau: Frank Schöbel. Mit Chris Doerk. In diesem "Musikfilm" (wie es damals in der DöDöRrr hiess!) von 1973:


Und was sagt der Kluge zu schummeln bzw. beschummeln?
beschummeln “betrügen” (18. Jahrhundert). Wird als jüdisches Wort bezeichnet, es lässt sich aber im Westjiddischen nicht nachweisen. Herkunft umstritten. Die älteste Bedeutung von schummeln ist vielleicht “handeln”.
Also das Jiddische nochmals, das Handeln. Nach dem Musche(bubu) und Schummer und Muscheln und Schmusen kommt das Ergebnis: das Schummeln. Oh nee…
Aber Frank & Chris sind hier um uns zu retten. Und was singen sie? Genau: Wenn wir wollen, dann geht's los! Na los! Rrrh!

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